Sommerferien 2006

Im Regelfall hat der Lehrerberuf keinen sonderlich hohen Ansehenswert. Mag es Gründe dafür geben oder nicht. Zitat Gerhard Schröder 1996: "Lehrer faule Säcke".
Damit Lehrer endlich mal wissen was Arbeit bedeutet, denkt man an höchster Stelle über eine Verordnung von Praktika in den Ferien nach. Das habe ich aufgegriffen, seit 2003 bin ich regelmäßig dabei.



Praktikum 2006

Es soll hier nur eine von drei Praktikumswochen in diesen Ferien beschrieben werden.
Beginn: Mo. 24.07.2006, Abfahrt 13:30 Uhr (Special für mich)
Ende: Fr. 28.07.2006, Ankunft 18:00 Uhr
Unterkunft: LKW - Koje.
Firma: Fun - Flowers
MONTAG, 24.07.06
  • Fahrdienst von Gera bis Soester Boerde bis etwa 19:00 Uhr. Letztens bin ich bis Arnheim durchgefahren, aber da hatte dann der Herr Wolf in der Koje dermaßen ausgeschlafen, dass wir die Nacht nicht mehr zur Ruhe kamen und ich am nächsten Morgen ziemlich schlecht aussah.
  • Dreieck Kassel Süd: Natürlich lauert an der Überfahrt zur A44 die Polizei. Wer aus den Kasseler Bergen kommt, kann keine saubere Weste haben. Grinsend werden die Papiere und die Tachoscheibe verlangt. Da lacht sich der Polizist halb tot: "Ha! Hahu! Bei der Geschwindigkeit konnten Sie doch gar keine Schilder sehen! Ha! Und da wären Sie ja beinahe an uns vorbeigeflogen. Haha!" Meine Scheibe zeigte drei Übertretungen der 100 für je etwa 5 Sekunden in den Kasseler Bergen. Da haben die Tonnen eben die Karre etwas rasant beschleunigt. Als LKW-Fahrer hat man eigentlich nur mit Glotzen auf den Tacho und den Rückspiegeln zu tun. Was vor dir passiert wird manchmal zur Nebensache - bloß nicht über die 80 kommen! Böse Straftat. Von daher braucht ihr euch nicht zu wundern, wenn ein LKW einen anderen überholt und dabei auch noch bremst.
    Mir wird "Vorsätzliche Geschwindigkeitsübertretung in mindestens drei Fällen mit bis zu 14km/h zur Last gelegt, was mich später einen Punkt und 70 Euro kosten wird.
  • Ankunft Naaldwejk 0:30, Noch ein paar Bier, Nachtruhe 1:30
  • Sockenvergleich 1:30 Uhr und 6:30 Uhr
  • .
DIENSTAG, 25.07.06
  • Der Tag beginnt 6:30 mit Blitzstart
  • Die Socken sind jetzt weg. Besser so. Ich sehe nicht sonderlich gut aus, brauche Kaffee, habe aber nur Wasser.
  • Hunderte Liter Diesel tanken, Besuch der Börse und der Verteilungsanlagen. Bis 8:30 Verfolgen der Funktionsweise einer Blumenauktion. Es ist heiß. Wir sitzen neben dem Mann, der für uns hier einkauft. Es wird sich herausstellen, dass er sich bei den Sonnenblumen verzockt hat. Da gehen wir dann richtig leer aus.
  • Pflanzeneinzeleinkauf in der "Pyramide": 550kg. Das dauert dann bis 13:00.
  • Mittagessen, Auffahrt zur "Flora Holland" zum Ent- und Beladen. Inzwischen sind es 36°C
  • Spätestens ab jetzt gilt: Ranklotzen was das Zeug hält. Keine Pause, voller Druck!
  • Abladen der leeren Container, Reinigung des Aufliegers, Beladen der Container und Paletten mit der gekauften Ware, Beladen des Aufliegers. Gegen 15:00 Uhr ist alles geschafft. Wir kleben wie die Schweine.
  • Polizei. Bei der Abfahrt am Morgen hat das Heck unseres Aufliegers bei Rechtsausfahrt einen Scania demoliert. Hatten wir nicht gemerkt. Kein Papierkrieg. Alles easy. Die Leute hier scheinen zu wissen, was ein Fahrer sehen und bemerken kann und was nicht - anders als manch Sesselfurzer deutscher Beamtenstuben.
    "Oh, sehr grosse Schaden. Kein Probblemm."
    Zum Glück bin ich nicht gefahren...
  • Heimfahrt: Die Kühlanlage funktioniert nicht. Wir bekommen minimal 25°C, die Blumen schwitzen wie wir.
  • Ab Soester Boerde fahre ich zunächst bis Gera. Immer in der Hoffnung auf eine kleine Reinigungsmöglichkeit.
  • In Gera beliefern wir nach Mitternacht einige Blumengeschäfte (Der "Trommler" entpuppt sich als gluckernder Abwasserkanal...). Im Geschäft W. gönne ich mir erstmalig Waschen von Armen und Haaren unter einem Wasserstrahl.
  • Im Laufe der Woche werde ich noch lernen mit Schweiß umzugehen. Und schließlich kann man sich die Füße ja auch mal im Blumenkübel waschen, bevor man das Wasser entsorgt.
  • Es geht weiter zum Feierabend nach W. Gegen 1:30 Uhr sind wir da. Es folgen noch ein paar Telefonate, denn die Kühlung macht uns Sorgen. Ein Notdienst muss her. Nach einem Bier fallen bei 26°C die Augen zu.


MITTWOCH, 26.07.06
  • Auslieferung beginnt 7:00 Uhr in W. Von einem freundlichen Händlerpaar bekommen wir einen Frühstückskorb für unterwegs.
  • Auslieferung in Gera Stadt und in L. Weiter zu DAF nach Untermhaus.
  • Wir warten auf Monteur für ThermoKing. Der hat einen langen Anfahrtsweg, denn es ist unglaublich: In Gera und Umgebung gibt es KEINEN einzigen Service-Betrieb, der sich mit solchen Anlagen auskennt. Gegen 12:30 Uhr gibt er auf, findet das Leck im Kreislauf nicht. Hat 2,5kg Kältemittel aufgefüllt. Es sind jetzt 34°C.
  • Die Kühlung läuft. Ich freue mich auf den Abend, weil wir an der Poehl baden gehen können.
  • Jetzt geht es auf nach A., Z., P., T., G., E., N., O. und und und Vogtland und und und ... Jokeda. Keine Ahnung, wie viel hundert Kilometer wir gefahren und wie viel Kilo Ware wir verkauft haben. Ist auch egal, die Ware muss raus - und zwar in bester Qualität und so zügig wie möglich.
  • In Jokeda bekommen wir einen Schock, als wir auf den Hänger steigen: Alles voller grauem Staub. Es hat den 10kg - Pulverlöscher bei einer "Gefahrenbremsung" wegen einem braunen Astra zerlegt. Das Zeug stinkt, klebt und ist schlimmer als Zementpulver. Die Mieze in Jokeda lacht sich scheckig, wir säubern das Schlimmste vom Hänger. Zum Glück sind die Blumen heil und es hat nur drei Hortensien erwischt.
  • Weiter zum Gärtner Zjevoda (Name geändert.). Hier mehr Laden als Entladen. Langer Schwatz. Es will halt jeder ein paar Minuten fröhlich plaudern. Ach wie gehts denn?, Hammer heut was schönes?, Is wohl heut en neuer mit?, So ein heißer Sommer!, Wann kommt endlich Regen? Und so weiter und so weiter. Aber meine Geduld neigt sich dem Ende. Ich brauche Wasser zum Waschen! Und Bier!
  • Poehl. Es gilt: Badesachen schnappen, Bier einstecken, Strand. Es ist jetzt 20:00 Uhr und noch sehr warm. Eine Wäsche im Stausee ist mit nichts zu ersetzen. Eine Stunde und zwei Bier später gehen wir zurück. Rost anbrennen, es gibt Steaks. Gegen Mitternacht kann ich nicht mehr stehen, doch ich muss früh 6:00Uhr wieder raus...


DONNERSTAG, 27.07.06
  • Die Auslieferungen im Bereich Zwickau - Aue - Klingenthal - Oelsnitz - Plauen - Zeulenroda - Gera - Glauchau wollen kein Ende nehmen. Das Telefon klingelt heute nicht so oft. Die Händlerinnen beklagen wenig Umsatz: Auf den Friedhöfen ist auch nichts mehr los.

  • Die Kühlung funktioniert. Ich lerne Latein und Rechnungslegung. Bin Träger und Fahrer. Wasche meine Füße im 6°C kalten Blumenwasser im Rosenkübel.

  • Die Kiste rückwärts um die Ecke zu schieben macht am meisten Spaß. Oder rückwärts an Mutti's Fiesta vorbei, damit die einen ungerechtfertigten Herzkasper bekommt.

  • Es geht nichts kaputt. Ich fahre, natürlich mit den gesetzlich vorgeschriebenen Lenkpausen (Verkaufszeiten), von 15:00 Uhr bis 1:00 Uhr, da sind wir dann in Gera bei der DAF zum Übernachten. Mehr als ein Bier geht nicht mehr. Der Arbeitstag war 19 Stunden lang. Pausen gab es in Wirklichkeit nicht, egal.

  • Die einzelnen Händler/innen reagieren übrigens sehr unterschiedlich, wenn sie erfahren, dass ich ein Beamter bin, der gerade Ferien hat. Die Mietze in A. kam aus dem Kichern nicht mehr raus und war fest davon überzeugt, dass wir sie auf den Arm nehmen wollen. Ja wie jetzt!?

  • Mir wird klar, dass morgen mein letzter Arbeitstag ist. Ich freue mich auf meine Familie, aber auch auf den Stress, der mich am nächsten Tag erwarten wird.
    Dieser Job ist wirklich hart, dreckig, pausenfrei, nix für Schnuckies. Man ist mit der Arbeit für das eigene Geld verantwortlich. Man muss immer freundlich sein, die Kunden sind König, Fehler sind fast verboten. Auf der Straße steht man eigentlich mit einem Bein immer im Knast. Der Job ist einfach beschissen - aber er macht riesigen Spaß! Er macht richtig Spaß.



FREITAG, 28.07.06
  • Heute fahre ich die ganze Tour. Beginn 6:30Uhr zunächst in die Innenstadt, dann Richtung W. Beim Pärchen wartet schon auf uns und es gibt ausgiebig Frühstück. Das tut gut!!! Gab es die letzten Tage so nämlich nicht.
  • Jetzt folgen wieder die gleichen Anlaufstätten wie Mittwoch, fast das ganze Programm.
  • Ständig rufen die Geschäfte an, dass sie noch Ware brauchen. So müssen wir dann auch noch mal nach W. und nach Z. und eigentlich auch nach A.
  • 17:00 Wieder in Gera ist noch nicht Schluss. Jetzt muss die gesamte Restware vom LKW auf den Kühltransporter umgeladen werden.
  • Ein Gewitter zieht auf und vorbei. Es regnet und eine leichte Abkühlung ist schön.
  • Meine Frau holt mich gegen 18:30 Uhr mit den Kindern ab, wir fahren heim. Eigentlich hat sie auch ein Praktikum gemacht: Als Truckerfrau, eine Woche allein mit zwei Kindern und dem Haushalt.
    Kann man nur verstehen, wenn man es versteht.
  • Ein warmes Bad Abends um 8 bringt es an den Tag: Ich war dreckig wie ein Schwein. Das Wasser war braun. Eigentlich bin ich tot, aber es muss weiter gehen und morgen werden wir für zwei Tage nach Frankfurt fahren...